Als junge Frau wusste Beatrice Hug-Keller aus Pfyn eines ganz genau: einen Wirt oder einen Bauern wollte sie nie heiraten. Gekommen ist es anders. Geheiratet hat sie aus Liebe einen Bauern, und selber ist sie eine feine Gastgeberin geworden.
Im Dorf unten sagen ihre Freundinnen auch schon: «Solange du nicht mit dem Besenstiel kommst, ist alles okay.» Damit deuten sie an, was Beatrice tatsächlich ist, nämlich eine Kräuterhexe. Genauer gesagt ist sie eine Spezialistin für die Wildkräuterküche. Wer das Glück hat, bei ihr zu essen und ihre Leidenschaft erleben zu dürfen, erinnert sich dankbar an die Begegnung auf dem Emmerig-Hof.
Kontext
Auf dem Scheunendach und den Nebengebäuden betreiben die Bauersleute seit 2012 eine 600 m2 grosse Solaranlage, die für über 20 Haushalte den Ganzjahresstromverbrauch produziert. Wenn die Sonne scheint, kann man in der Nähe der Wechselrichter ein leichtes Brummen hören. Es ist der Ton, der entsteht, wenn der Gleichstrom der Solarzellen in Wechselstrom umgewandelt wird. Reini Hug ist ein begeisterter Sonnenbauer und Geniesser der Wildkräuterküche seiner Frau Beatrice. Regionale Wirtschaftskreisläufe sollten seiner Meinung nach gegenüber Grossunternehmen und globalisierten Konzernen strukturell bevorteilt werden.
Angefangen hat die Leidenschaft für Wildkräuter mit einem Spaziergang durchs Dorf. Mägi Schneider, selber eine Kräuterfrau aus Pfyn mit einem Heilpflanzenatelier, führte Frauen der Region durchs Dorf, von Pflanzenbüschel zu Pflanzenbüschel. Beobachtet haben die Frauen Pflanzen, die ohne menschliches Zutun gesund und voller Wuchskraft in Saft und Kraft stehen. Gezündet hat die Leidenschaft aber erst einige Zeit später, gesteht die Mutter von vier erwachsenen Söhnen. Sie beginnt zu verstehen, dass rund um das Haus, welches sie und ihr Mann Reini bewohnen, Wildkräuter angesiedelt sind, mit denen sie in einem Seinszusammenhang stehen. Sie realisiert, dass diese vielen Heilpflanzen ihrem Leben und Alltag in einer harmonisierenden, gesundheitsfördernden Dimension zur Seite stehen.
Mit dieser Haltung sammelt Beatrice Hug bei jedem Wetter – ausser bei Schnee – in allen zwölf Monaten fast täglich Wildkräuter. Nicht zum Dekorationszweck, sondern als wesentliche Basis von Gratins, Suppen, Salaten, Pestos, Dips und Teigwaren. Im Gespräch wird ihre Herzensbeziehung zu vielen Kräutern sichtbar. Jedes Wildkraut kennt sie nicht nur beim Namen, sondern weiss um seine Eigenschaften und Vorzüge. Sie erwähnt den deutsch-amerikanischen Ethnobotaniker und Kulturanthropologen Wolf-Dieter Storl, der heute ennet dem Bodensee im Allgäu lebt. Es ist spürbar, dass für sie Heilpflanzen mehr sind als Grünzeug mit besonderen Aromen. Nachweislich haben Wildkräuter ausgleichende und heilende Wirkkräfte wie auch einen vergleichsweise hohen Anteil an Vitaminen, Spurenelementen und Vitalstoffen. Gegenüber Industrienahrungsmitteln, selbst wenn sie grün gelabelt sind, äussert sie grosse Skepsis.